Teil 4: Südwesten

Tag 62: (14.12.14) Gila Bend – Wellton

Distanz: 141.2 km / Gesamt: 4994.2 km / Fahrzeit: 5 Std. 52 Min. / Durchschnitt 24.0 km/h

Vormittag 8, Nachmittag 20 Grad, ganzer Tag sonnig, kein Wind

think big

Wir wissen es alle ja schon lange: Die Amis lieben es gross. XXL heisst das Zauberwort. Ob beim Hamburger, als Konsequenz dann auch bei den Kleidergrössen, oder den Autos. Gross ist hier oft gleichbedeutend mit „gut“. Heute habe ich wieder so einige XXL Erfahrungen gemacht.
Angefangen bei der Distanz die ich heute zurückzulegen hatte. 140 km ohne echte Alternative unterwegs übernachten zu können. Deshalb habe ich gestern bei Gegenwind von 4 -5 Beaufort, meine Surf- und Segelkollegen wissen diesen Wind für schöne Segelerlebnisse zu schätzen, bewusst einen zusätzlichen Ruhetag eingelegt. Es hat sich ausbezahlt. Heute war der ganze Tag praktisch windstill, so dass ich nicht noch zusätzlich ausgebremst wurde. Wegen der langen Distanz und um genug Reserve für allfällige Pannen zu haben, bin ich früh losgefahren.

Bei einer solchen Morgenstimmung wirkt auch ain Schrottplatz "schön".

Bei einer solchen Morgenstimmung wirkt auch ein Schrottplatz „schön“.

Die ganze Strecke fuhr ich auf der Interstate 8, da es hier weiterhin keine andere Strasse gibt. Da es Sonntag war, war selbst auf der Interstate nicht viel los. Oft war ich über längere Strecken alleine unterwegs. Alle die Richtung Los Angeles oder nördlicher unterwegs sind, sind in Gila Blend auf die „I 10“ abgebogen, so dass ich die Strasse nur noch mit denjenigen mit Ziel San Diego „teilen“ musste.
Kurz nach der Abfahrt mein nächstes XXL Erlebnis: Eine riesige Farm mit Sonnenkollektoren mit denen hier in der Wüste sauberer Strom erzeugt wird. Ein schönes Zeichen im Land der unbegrenzten Ressourcenverschwendung.

Eine risige Anlage mit Sonnenkollektoren.

Eine riesige Anlage mit Sonnenkollektoren.

Die Fahrt verlief einfach wunderbar. Links und rechts der Strasse weiterhin viel offenes Land und viel  „Nichts“!

Heute habe ich den Ort gefunden, den ich so lange gesuht habe: In der Mitte des Nirgendwo!

Heute habe ich den Ort gefunden, den ich so lange gesucht habe: Die „Mitte des Nirgendwo“!

So lebt man "in the middle of nowehre".

So lebt man „in the middle of no wehre“.

Die Trittkadenz konnte ich auch bei leichten Anstiegen hoch halten und so waren die ersten 60 Kilometer bald geschafft.
Dort gab es eine Raststätte und es war Zeit wieder etwas Kalorien und Flüssigkeit nachzuladen. Zudem hat es an diesen Raststätten oft guten Handyempfang und so konnte ich mit meinen Lieben zu Hause etwas plaudern. Während ich mit meiner Mutter am Telefon war erschien ein Sheriff der Highway Patrol. Er stellte sich freundlich mit vollem Namen vor und erkundigte sich, ob bei mir alles ok sei? Es sei ein Anruf in der Zentrale eingegangen, dass ein Velofahrer auf der Interstate unterwegs sei. Da er in der Nähe war wollte er einfach mal nachschauen, ob ich ok sei. Es sei kein Problem und ich dürfte hier problemlos auf dem Pannenstreifen fahren. Ich bedankte mich freundlich für seine Nachfrage und bestätigte ihm, dass ich keine Probleme hätte und heute noch bis Wellton fahren wolle. Er wünschte mir eine sichere Fahrt und verabschiedete sich.
Bei der Weiterfahrt wieder eine dieser endlosen Geraden, welche oft 20 oder mehr Kilometer keine Kurve aufweisen.

Immer geradeaus, Richtung Westen!!!

Immer geradeaus, Richtung Westen!!!

Die Strasse stieg wieder etwas an und auf einem weiteren „Pass“ machte ich ganz oben eine kurze Rast, gerade als ein weiterer dieser unglaublich langen und beeindruckenden Züge über den Pass fuhr. Ich habe heute auf meiner Fahrt mindestens 12 solcher „XXL-Züge“ gesehen. Jeder mit mindestens 100 Wagen wobei über 70% mit zwei grossen Containern beladen waren. Kurze Rechnung: 12 Züge à 100 Wagen mal 1.7 = 2040 Container die sonst mit 2040 Lastwagen befördert werden müssten!

Ein weiterer XXL Zug der tausende Tonnen befördert.

Ein weiterer XXL Zug der tausende Tonnen befördert.

Auch ein XXL Sonnenkraftwerk konnte ich heute entlang meiner Route sehen. Ein riesiges Feld mit gigantischen Spiegeln, welche die Sonnenstrahlen auf eine Leitung bündeln und so die Kraft liefern, um die Turbinen anzutreiben.

Eine beeindruckende Anlage.

Eine beeindruckende Anlage.

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Hier wird die Kraft der Sonne in Strom umgewandelt.

Diese XXL Felder haben mich heute sehr gefreut. Ein gutes Zeichen. Weniger Freude hatte ich an den hier ebenfalls immer mal wieder auftauchenden grossen Mastfarmen, wo Rinder in riesigen Anlagen auf engstem Raum möglichst schnell auf ein Schlachtgewicht gefüttert werden, um den unstillbaren Hunger nach billigem Fleisch in den USA und anderen Märkten zu befriedigen. Bei diesem Anblick kann einem der Appetit auf ein gutes T-Bone Steak vergehen.

Heute fuhr ich an mehreren dieser "Mastfarmen" entlang.

Heute fuhr ich an mehreren dieser „Mastfarmen“ entlang.

Diese Farmen sind auch noch viel später durch ihren Geschmack zu riechen.
Nach gut 90 Kilometer dann ein letzter Stop an einer einsamen Tankstelle mit angeschlossenem Food Store.

Eine Frau aufder Fahrt von Tucson nach San Diego wollte dieses Foto von mir am Rastplatz machen. Wir haben etwas geplaudert und sie war wie viele "beeindruckt" von meiner Fahrt.

Eine Frau auf der Fahrt von Tucson nach San Diego wollte dieses Foto von mir am Rastplatz machen. Wir haben etwas geplaudert und sie war wie viele Gesprächspartner in den letzten Tagen „beeindruckt“ von meiner Fahrt.

Ich erreichte mein Ziel einiges früher als erwartet und das der Pool und ein warmes Sprudelbad im Motel noch geöffnet waren erweiterte mein „Erholungsprogramm“ unerwartet um ein entspanntes Bad. Einfach super, an einem 14. Dezember draussen ein Bad zu nehmen.

Dies war einladend. Wieder mal ein Bad im Freien.

Dies war einladend. Wieder mal ein Bad im Freien.

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Nach 140 km, der beste Platz zur Erholung. Ein warmes Sprudelbad.

Ich wünsche euch allen einen entspannten Start in die „letzte Woche“ vor den Weihnachtsferien.

Tag 61: (13.12.14) Rasttag in Gila Bend

Abwarten

Heute Nacht zogen Ausläufer der starken Regenfront, verbunden mit starkem Wind auch über Gila Bend. Als ich in der Nacht erwachte, recherchierte ich im Internet mal die aktuellen Windvorhersagen für den heutigen Tag. Resultat: Westwind bis 40 km/h und Böen. Mein nächst mögliches Motel liegt von hier aus genau in der Richtung, aus der der Wind weht und ist 120 Kilometer entfernt. Wie Velofahrer wissen, ist Gegenwind schlimmer als Steigungen und können einem so richtig ausbremsen. Ich hatte keine Lust mich auf dieses Experiment einzulassen und stundenlang gegen den Wind und die allenfalls hereinbrechende Dämmerung anzukämpfen. Da ich noch genug Reserve habe war der Entschluss rasch gefällt. Ich bleibe heute in diesem kleinen Nest und warte den Sonntag ab. Dann soll der Wind nachlassen und erst noch etwas drehen, so dass morgen Seiten- oder gar Rückenwind zu erwarten ist.
Ich habe noch ein anderes Motel an der „Hauptstrasse“ gesucht, da ich gestern nahe der Autobahn etwa 5 Kilometer vom Ort entfernt geschlafen habe. Den Ort hat man in 15 Minuten gesehen und so konnte ich heute viel ausruhen. Einziger Höhepunkt: Es gibt hier ein echt italienisches Restaurant!!! Ich freue mich jetzt schon auf einen feinen Teller Pasta heute Abend.
Für euch zu Hause hier die Bilder aus Gila Bend, 1700 Einwohner (wohl mit allen verstreuten Häusern in der weiteren Umgebung)

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Die Speisekarte sieht vielversprechend aus. frische Pasta 🙂

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Auch die Lastwagen tragen hier zum Teil eine „Weihnachsdekoration“.

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Wer sich beruflich und örtlich „verändern“ will, hier gibt es eine Gelegenheit. Der Laden ist (ohne Erfolgsgarantie) zu verkaufen.

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Hauptstrasse in Gila Bend.

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Das „Space Age“ Motel im original 70er Jahre look. Willkommen im Raumschiff Enterprise!

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Nach Mexiko ist es nur ein Katzensprung, aber ich bleibe bei meinem Ziel: San Diego

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Prunkvolle Häuser und Villen sucht man hier vergebens.

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Für die Fernfahrer ein wichtiger Stop auf der langen und eintönigen Fahrt auf der „Interstate 8“

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Die Kirche mit Wandmalerei.

 

Tag 60: (12.12.14) Eloy – Gila Bend

Distanz: 110 km / Gesamt: 4853 km / Fahrzeit: 5 Std. 10 Min. / Durchschnitt 21.3 km/h

Vormittag 15, Nachmittag 22 Grad, Morgen sonnig, Nachmittag bedeckt , ab Mittag leichter Gegenwind mit Böen

3000 Meilen geschafft!!!

Heute war wieder einmal ein typischer „Meilentag“ und davon gibt es nicht viel spannendes zu berichten. In der Gegend in der ich im Moment unterwegs bin gibt es keine Alternative zur Interstate 8 und so war ich fast den ganzen Tag auf dem Pannenstreifen unterwegs. Zuerst musste ich im Raum Eloy / Casa Grande noch einigen Nebenstrassen benutzen, da es hier nicht erlaubt ist auf der Autobahn zu fahren.
Aber auch diese Strassen werden irgendwann zu Feldwegen und verschwinden im Nirgendwo. Ab diesem Punkt ist es dann auch Radfahrern wieder gestattet die Autobahn zu benützen. Genau an dieser Stelle sah ich auf einem Wegweiser zum ersten Mal auf der Reise mein Ziel angeschrieben: San Diego!

Nach San Diego hier links und dann immer geradeaus.

Nach San Diego hier links auf die Autobahn und dann immer geradeaus.

Auf der Interstate kommt man gut voran, doch Begegnungen wie gestern bleiben da natürlich aus. Die Strecke ist hier nicht stark befahren so das dies ein recht entspanntes Fahren ist, bei dem man zügig vorankommt. Noch immer sind längere Anstieg zu bewältigen und weil gegen Mittag der Wind drehte, musste ich auch bei den leichten Abfahrten in die Pedale treten um eine gute Geschwindigkeit halten zu können.

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Immer wieder rauf und runter.

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Rechts …

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und links der Autobahn.

Neben der Strasse immer noch schöne Saguaros und andere Wüstenpflanzen. Zum Glück blieb es heute den ganzen Tag trocken und der Wind blies nicht zu heftig gegen meine Fahrtrichtung. Der Sturm der gestern das nördliche Kalifornien überquerte schickte aber trotzdem dunkle Wolken bis hier in den Süden. Ich hoffe nun, dass der angekündigte Wind und Regen ebenfalls nur sehr schwach hier vorbeikommen oder besser ganz ausbleibt. Die nächsten zwei Tage bin ich weiterhin fast ausschliesslich auf der Interstate 8 unterwegs und werde, wenn das Wetter nicht zu stark gegen mich arbeitet, am Sonntag die Grenze zu Kalifornien erreichen.
25 Kilometer vor dem heutigen Tagesziel war ein weiterer Meilenstein vollbracht: Meile 3000 war erreicht!

3000 Meilen geschafft!

Um 14.30 Uhr war es soweit: 3000 Meilen geschafft! (= 4828 km)

Bis San Diego sind es noch knapp 300 Meilen. 90% der Strecke liegen nun also hinter mir. Das einst so weit entfernte Ziel ist nun in greifbare Nähe gerückt und ich freue mich täglich mehr auf den Moment, wo ich mit meinem „Pferdchen“ am Pazifik stehe. Ich bin hervorragend im Zeitplan und habe, ausser den zum Teil langen Distanzen zum nächsten Motel, keinen Grund extra lange Strecken zu fahren. Ich hoffe es läuft auch auf diesen letzten Meilen weiterhin so problemlos, so dass ich mein Ziel voraussichtlich am Mittwoch erreiche.

Tag 59: ( 11.12.14) Tucson – Eloy

Distanz: 112.5 km / Gesamt: 4743 km / Fahrzeit: 4 Std. 57 Min. / Durchschnitt 22.7 km/h

Vormittag 15, Nachmittag 24 Grad, ganzer Tag sonnig, oft leichter Rückenwind,

Adventsgeschichten

Steve, mein toller „Warmshowers Gastgber“ der mir zusammen mit seiner Frau Christine viel mehr als nur eine „warme Dusche“ offerierte, begleitete mich heute Morgen auf den ersten 35 Kilometern durch Tucson und führte mich auf guten Radwegen aus dieser 300’000 Einwohnerstadt.

Sonnenkolektoren im Einsatz.

Sonnenkollektoren im Einsatz.

Keine Geranien im Garten, dafür schöne Kakteen.

Keine Geranien im Garten, dafür schöne Kakteen.

Weihnachtsdeko in der Wüste.

Weihnachtsdeko in der Wüste.

Ich wusste bis heute nicht, dass Miss Piggy zur "Weihnachtsfamilie" gehört.

Ich wusste bis heute nicht, dass Miss Piggy zur „Weihnachtsfamilie“ gehört.

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Schöner Radweg durch Tucson.

Als wir an der Stadtgrenze ankamen war es Zeit sich zu verabschieden. Dies ist mit der Hoffnung verbunden diese tollen Menschen bald mal wieder zu treffen.

Goodby Steve, Thank's for all and I hope to meet you and Christine again!!!

Goodby Steve, Thank’s for all and I hope to meet you and Christine again!!!

Meine weitere Fahrt sah auf der Karte nicht sehr spektakulär aus. Alles auf einer Parallelstrasse zur Interstate 10. Ruhig, wenig Verkehr und rechts der Strasse die Eisenbahn. Strahlender Sonnenschein und leichter Rückenwind machten die Fahrt auch an einem Donnerstag zu einer richtigen Sonntagsfahrt. Leider konnte ich nicht so nahe am Flugzeugparkplatz vorbeifahren wie dies mein Arbeitskollege Stefan wünschte. Da war von meiner „Frontage Road“ einfach kein vernünftiger Zugang zum „Parkplatz“, wo die im Moment nicht mehr im Betrieb stehenden Flugzeuge aus der ganzen Welt im trockenen Wüstenklima abgestellt werden. Immer in der Hoffnung das die Maschinen wieder eingesetzt werden können. Ich habe sie in der Ferne dann doch noch erspäht und konnte nur ein leider unscharfes Foto schiessen. Der Umweg von gut 18 Kilometer war mir dann aber zu weit.

Leider nicht "scharf" aber der Beweis, ich habe sie gesehen!

Leider nicht „scharf“ aber der Beweis, ich habe sie gesehen!

Kurze Zeit später begegnete ich einem Langstreckenradler. Er heisst Joe und ist auf einem Charityride nach Mexiko. Er erzählte, dass er das schon zum elften Mal mache und bei seinen Fahrten jeweils Geld für Krebskranke Kinder sammle. Wer „Joe Do Painado 1500 Miles“ in Google eintippt, findet unter anderem ein Video seiner Sammelaktionen. Es war eine kurze aber nette Begegnung mit einem engagierten Menschen. Leider hat er heute die falsche Route gewählt und wurde auf der Autobahn von der Polizei gestoppt und gnadenlos vom Pannenstreifen verbannt. Im Raum Casa Grande ist das Fahren auf dem Pannenstreifen nämlich nicht erlaubt. Er musste also über den Zaun klettern und durch tiefen Matsch zur nächsten Strasse wandern. Sein Fahrrad sah entsprechend aus. Wir wünschten und gegenseitig noch viel Glück und Erfolg auf der Weiterreise und fuhren weiter.

Joe, der Charityrider für Krebskranke.

Joe, der „Charityrider“ für Krebskranke.

Es ging leicht bergauf und am Picachio Peak sah ich im Schatten eines Baumes zwei Radfahrer warten. Ich hielt an und sprach mit den beiden. Ein Paar das es offensichtlich im Leben nicht immer einfach hatte. Beide waren vom Alkohol und wohl auch Drogenkonsum gezeichnet. Sie waren mit ihren zwei Fahrrädern, einem Anhänger und drei kleinen Hunden dort und suchten Leute, die ihnen etwas spendeten. Ich sprach mit den beiden gut eine halbe Stunde. Sie waren begeistert von meiner Tour und erzählten mir, dass sie nach Las Vegas wollten, dies im Moment aber nicht gehe, da die Frau nächste Woche in Tucson einen Arzttermin habe. Es war offensichtlich, dass sie nicht wirklich gesund war. Stolz erzählten mir die beiden, dass sie nicht obdachlos seien, sondern in Tucson eine Wohnung hätten. Leider sein das Geld aber nach Bezahlung der Miete jeweils aufgebraucht. Da sie trotzdem lieber unterwegs waren als zu Hause herumzusitzen, machten sie immer wieder ausgedehnte Fahrradtouren und fragten die Vorbeifahrenden um finanzieller Unterstützung. Das klappe ganz gut und so seien sie zufrieden. Ich gab ihnen einen Zustupf, so das für das Abendessen und die Übernachtung im nahen State Park gesorgt war. Die beiden bedankten sich herzlich und als sie erfuhren, dass ich auf meiner Reise auch Geld für Kokou sammle, waren sie restlos begeistert. Die Frau erzählte mir, dass sie nach einem Überfall, bei dem ihr das halbe Ohr abgeschnitten und ein Schraubenzieher in den Kopf gerammt wurde, auch eine Art epileptische Anfälle habe. Zum Glück werde es langsam besser. Sie umarmte mich und zeigte mir ihre Arme: „Siehst du, ich bekomme gleich Hühnerhaut. Super dein Projekt.“ Ich war wirklich gerührt. Die beiden hatten es nicht leicht im Leben und trotzdem strahlten sie so viel positive Energie und Lebensfreude aus.

Nicht immer auf der "Sonnenseite" und doch voller Lebensfreude und Zuversicht.

Nicht immer auf der „Sonnenseite“ des Lebens und doch voller Lebensfreude und Zuversicht.

Diese beiden Begegnungen mit aussergewöhnlichen Menschen waren heute ganz klar meine persönliche „Adventsgeschichte“.
In diesem Sinne wünsche ich auch euch zu Hause möglichst besinnliche und komerzfreie Adventstage.

Tag 58: (10.12.14) Ruhetag in Tucson

Distanz: 30.5 km / Gesamt: 4630.5 km / Fahrzeit: unbekannt / sonniger Tag im Saguaro National Park

Achterbahn

Heute habe ich einen Ruhetag in Tucson genossen. Eigentlich gibt es an einem Ruhetag ja keinen Blog, aber ich reiche diesen nun doch noch nach. Meine zauberhaften Gastgeber Christine und Steve Beck haben mich auf meinem Ausflug in den Saguaro NP auf dem Velo begleitet. Es war eine wunderschöne Fahrt durch den Park. Die Strasse durch den Park ist eine Einbahn und die Fahrt gleicht der einer Achterbahn. Steile Abfahrten, enge Kurven und kurze aber knackige Anstiege.

Offensichtlich eine nicht ungefährliche Strecke.

Offensichtlich eine nicht ungefährliche Strecke.

Alles zwischen wunderschönen Kakteen und einer herrlichen Bergkulisse. Ich habe den Ausflug mit diesen beiden wundervollen und gastfreundlichen Menschen sehr genossen.

Christine fuhr voraus und warnte mich vor engen Kurven oder steilen Anstiegen.

Christine fuhr voraus und warnte mich vor engen Kurven oder steilen Anstiegen.

Ein kurzer Stop an einem schönen Rastplatz, das alles bei Sonnenschein und warmen 24 Grad. So lässt es sich im Dezember wirklich gut aushalten.

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Impressionen aus dem Park.

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Ein wahrer Riese.

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Besucher am Rastplatz.

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Freiluft „Kaktusgarten“

Steve arbeitet jeweils ein bis zwei Abende in der Woche noch als Mathematiklehrer an einem Gemeindecollege. Heute Abend hatte er noch einen Einsatz. So waren Christine und ich am Abend alleine und sie kochte mir köstliche Pasta und dazu frischen Salat. Eine Wohltat in der kulinarischen Eintönigkeit der Fastfoodketten, die für mich oft die einzige Möglichkeit sind, mich der Nähe zu verpflegen. Wieder hatten wir schöne Gespräche und Christine schien sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, obwohl sie am nächsten Tag ihre „periodische Prüfung“ als Krankenschwester im Bereich „Notfalleinsatz“ zu absolvieren hatte. Ich hatte fast ein schlechtes Gewissen sie von den zur Vorbereitungen zur Prüfung abzuhalten. Später kam dann auch Steve von seinem Unterricht wieder nach Hause und wir plauderten noch lange über diese und jene Fahrradreise. Er gab mir, nicht nur für Europa, sondern auch für die USA viele tolle Tipps und so ist der Samen für künftige Radreisen gepflanzt. Keine Angst Barbara, die beiden haben so von Touren in Europa geschwärmt, dass wir für die nächste Reise den Zug zum Ausgangspunkt nehmen können. 🙂
Die beiden waren der lebende Beweis dafür, das auch in den USA Menschen leben welche die Politik in ihrem Land kritisch hinterfragen, mit vielem nicht einverstanden sind und im wahrsten Sinne „Mitmenschlichkeit“ leben. Sie haben in den letzten Jahren vielen Flüchtlingsfamilien bei ihrem Start in ein neues Leben in den USA geholfen und diese dabei unterstützt auf eignen Beinen zu stehen. Als Weihnachtsgeschenk haben sie diesen jeweils Fahrräder geschenkt, damit sie unabhängig und ohne teure Benzinkosten zu ihren Arbeitsstellen oder in die Schule fahren konnten. Ihre Erzählungen und ihr mitmenschliches Engagement haben mich beeindruckt und ich hoffe sehr die beiden bald einmal wieder zu treffen. Ich hoffe ihre nächste Europareise führt zumindest in der Nähe der Schweiz vorbei: Just call me Cristine and Steve, so we can ride together!!! Herzlichen Dank für diese schöne Erfahrung und die tolle Gastfreundschaft.

Tag 57: (09.12.14) Willcox – Tucson

Distanz: 126.5 km / Gesamt: 4600 km / Fahrzeit: 5 Std. 51 Min. / Durchschnitt 21.6 km/h 🙂

Vormittag 18, Nachmittag 24 Grad, Morgen bedeckt, später sonnig, oft leichter Rückenwind,

Autobahn!

Autobahn bezeichnet die Fahrt heute kurz und bündig. Von den 126 km waren gut 110 auf der Autobahn zu absolvieren. Es gab keine andere Strasse. Wie ihr wisst ist mir das nicht unangenehm, da ich mich auf dem breiten Seitenstreifen sicher fühle. Da es in dieser Gegend auch nicht viele Ein- und Ausfahrten hat, fällt ein weiterer Gefahrenpunkt schon mal weg.

Das ist mal ein echtes "Elefantenrennen"!

Das ist mal ein echtes „Elefantenrennen“! Rechts bleibt immer noch Platz zum Radfahren.

Ich bin heute etwas früher aufgestanden, um bei allfälligem Gegenwind oder zu steilen Hügeln das Ziel in Tucson sicher noch bei Tageslicht zu erreichen. Beim Start um 8.30 Uhr war der Himmel noch mit zum Teil recht dunklen Wolken bedeckt. Es entstand ein diffuses Licht in dem sich die Berge gut abzeichneten.

Leider war an der Camera noch ein falsches Programm eingestellt. Trotzdem zeigt das Bild etwas von der besonderen Lichtstimmung an diesem Morgen.

Leider war an der Kamera noch ein falsches Programm eingestellt. Trotzdem zeigt das Bild etwas von der besonderen Lichtstimmung und den Bergketten im Hintergrund. 

Nach ca. 10 km leichtem Einrollen auf topfebener Strasse begann die erste längere Steigung. Gut 24 Kilometer immer bergauf. Nicht zu steil, (so etwa Kemptthal – Tagelswangen für die BZ Radler aus dem Raum Winterthur) aber mit dem Gepäck kam ich doch ins Schwitzen. Kurz nach der Passhöhe gab es einen prima Rastplatz. Saubere Toiletten, Verkaufsautomaten, Tische und das alles in einer wunderschönen Kulisse. Genau das was ich nach den ersten beiden Fahrstunden nun brauchte, denn heute wollte ich mich regelmässiger ernähren.

Im "Kampf" gegen die Unterzuckerung!

Im „Kampf“ gegen die Unterzuckerung!

Nach der Arbeit dann das Vergnügen. Eine lange Abfahrt Richtung Benson war die Belohnung, die ich richtig genoss. Dort bei „Mc D“ nochmals Kalorien auftanken und weiter. Immer mal wieder rauf und runter und gegen halb vier Uhr konnte ich die Autobahn südlich von Tucson verlassen. Nun fuhr ich nach der Beschreibung von Christine, meiner Gastgeberin, auf zum Teil sehr schönen, separaten Radwegen zu ihrem Haus.

Am Strassenrand auf dem Weg zu meinen Gastgebern.

Am Strassenrand auf dem Weg zu meinen Gastgebern.

Mal was anderes als der Löwenzahn bei uns zu Hause.

Mal was anderes als der Löwenzahn bei uns zu Hause.

Es liegt in einer ruhigen Wohngegend in der Nähe zum Saguaro Nationalpark. Christine war noch bei der Arbeit aber ihr Mann Steve war zu Hause und hat mich sehr herzlich empfangen. Ich fühlte mich sofort wohl und willkommen. Steve weiss was einem nach einem langen Fahrtag gut tut und offerierte zur Begrüssung ein schön kühles Bier. Anschliessend zeigte er mir mein Schlafzimmer mit tollem Blick auf die Berge. Dazu ein schönes Gästebadezimmer. Ich habe hier dank „warmshowers“ einen wunderschönen Platz mit zwei sehr gastfreundlichen Besitzern gefunden. Christine arbeitet in einem Spital in der Reha und lehrt ihre Patienten unter anderem sich gesünder zu ernähren und mehr zu bewegen. Eine Aufgabe die hier sicher mehr als je von Nöten ist. Sie kam von der Arbeit mit dem Fahrrad nach Hause. Ja ihr habt richtig gelesen, sie fährt nicht mit dem Auto, sondern nimmt das Fahrrad. Nicht gerade typisch in den USA aber ganz im Sinne ihrer Weltanschauung. Sie war früher unter anderem Lehrerin für „deutsch Sprache“ und so habe ich nun eine weiter Blogleserin aus den USA dazu bekommen 🙂 Die beiden kochten ein leckeres Abendessen und wir sassen noch lange zusammen und erzählten von unseren Reisen. Sie sind seit Jahren begeisterte Radreisende und haben im Jahr 2000 sogar auf einer einjährigen Radreise mit einer Gruppe die ganze Welt bereist. Zentral- und Südamerika, Europa, Asien inkl. China, Japan und Australien sowie die USA. Zu zweit gehen sie jedes Jahr in den hier heissen Sommermonaten Juni – August ein paar Wochen auf eine ausgedehnte Radreise. Sie sind auch sehr gerne in Europa unterwegs und haben schon so viele Länder per Rad bereist. Ob von Lisabon (Portugal) nach Krakau (Polen), Deutschland, Tschechien, Kroatien, Spanien, Belgien; Holland oder Frankreich. Sie sind schon fast überall gewesen und können mir für eine zukünftige Tour in Europa viele Typ’s geben. Wer hätte gedacht, dass ich in den USA von Radfahrern die Infos für die Europatouren bekomme. Es war ein schöner, gemütlicher Abend und wurde spät. Deshalb hat sich auch der Blog mal ausnahmsweise verspätet. Am Mittwoch ist nun Ruhetag und ich besuche den Saguaro National Park.

Tag 56: (08.12.14) Lordsburg – Willcox

Distanz: 119.1 km / Gesamt: 4473.5 km / Fahrzeit: 4 Std. 50 Min. / Durchschnitt 24.6 km/h 🙂

ganzer Tag etwa 21 Grad, mittlerer Rückenwind, bedeckt

Welcome to Arizona

Zuerst ein kleiner Rückblick auf meinen Restaurantbesuch gestern Abend. Ich ging über die Strasse um in einem Restaurant noch etwas zu essen. Wie üblich in den USA hatte auch dieses Lokal mehr als genügend Serviceangestellte. Die Leute arbeiten zu einem sehr tiefen Stundenlohn, so dass im Vergleich zur Schweiz immer mindestens die doppelte Anzahl an Angestellten in einem Lokal sind. Angefangen bei der Person die einem den Platz anweist, oft jemand der die Bestellung aufnimmt und serviert und eine weitere Person räumt ab. Diese Leute sind auf Trinkgeld angewiesen, da sie sonst schlicht nicht über die Runden kommen. Soweit also nichts Neues für die „USA Kenner“. Wir waren kurz nach acht Uhr noch 5 Gäste im Lokal. Dieses schliesst wie oft sehr früh, in diesem Fall um neun Uhr. Während wir Gäste am essen waren beschlossen die Angestellten, dass es nun Zeit sei das Lokal zu reinigen. Also packten sie die Besen aus und begannen das Lokal zu wischen. Auch unter meinem Tisch, während ich am essen war. Schon etwas gewöhnungsbedürftig. Kurz nachdem man den letzten Bissen in den Mund geschoben hat, taucht jeweils die Kellnerin auf und fragt: Noch etwas? Wer nichts mehr bestellt bekommt umgehend die Rechnung auf den Tisch gelegt. Ein deutliches Zeichen das es nun Zeit ist zu gehen. Wer zum ersten Mal in den USA unterwegs ist, muss sich an diese „effiziente Art“ des Service wohl etwas gewöhnen.

Die Fahrt heute glich in weiten Teilen jener von gestern. Leichter bis mittlerer Rückenwind, die Fahrt mangels Alternativen etwa 70% auf dem Pannenstreifen der Autobahn. Es ging immer wieder lange, moderate Steigungen hinauf und anschliessend auch wieder hinunter.

Bei solchen Stecken ist man froh nicht gegen den Wind fahren zu müssen.

Bei solchen Stecken ist man froh nicht gegen den Wind fahren zu müssen.

So konnte ich bei diesen Bedingungen meine Durchschnittsgeschwindigkeit noch mal leicht steigern. Kurz vor der Staatsgrenze zu Arizona fuhr ich bei der Ausfahrt „Stein“ von der Autobahn und entdeckte ein kleines Nest das wohl früher für die Eisenbahnlinie, die hier durchführt, eine Bedeutung hatte. Die riesigen Züge die ich hier zum Teil im 15 Minutentakt vorbeifahren sah, machten aber keine Anstalten in Stein zu halten und der Ort erinnerte mich, obwohl noch bewohnt, eher an eine Geisterstadt.

Hier konnte ich mal einen Zug in seiner ganzen Länge fotografieren: 92 Wagen, fast alle mit zwei Containern!

Hier konnte ich mal einen Zug in seiner ganzen Länge fotografieren: 92 Wagen, fast alle mit zwei Containern!

Stein: Die noch bewohnte "Geisterstadt".

Stein: Die noch bewohnte „Geisterstadt“.

Kurz darauf der Höhepunkt des Tages. Ich überquerte die Staatsgrenze zu Arizona, meinem 7. und zweitletzten Staat auf dieser Reise.

Meine zweitletzte Staatsgrenze auf dieser Reise.

Meine zweitletzte Staatsgrenze auf dieser Reise.

In der Gegenrichtung konnte ich dann noch die bei der Einreise "vermisste" Tafel fotografieren.

In der Gegenrichtung konnte ich dann noch die bei der Einreise „vermisste“ Tafel fotografieren.

Die beiden anderen kleinen Ortschaften auf dem Weg nach Willcox, San Simon und Bowie machten einen fast ebenso verlassenen Eindruck. Viele verlassene und zerfallene Häuser und auch jene die noch bewohnt waren, hätten eine Renovation nötig. Offensichtlich gibt es hier nicht mehr viel zu verdienen. Die Autos und Lastwagen rasen auf der Autobahn vorbei. Vor der Eröffnung der Autobahn hatten die Orte offensichtlich von den Transitreisenden leben können, wie zahlreiche verlassene Motels und Tankstellen bezeugen.

In Bowie: Noch immer bewohnt.

In Bowie: Noch immer bewohnt.

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Dieses Motel wird nicht mehr gebucht.

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Als in dieser Bar noch ausgeschenkt …

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und hier noch Benzin verkauft wurde, waren die Fotos noch „schwarz-weiss“.

Ich kam wie gesagt gut voran, auch wenn ich mich nach gut 75 Kilometer etwas „ausgebrannt“ fühlte. Ich hatte dem Thema Ernährung wohl etwas zu wenig Beachtung geschenkt. Trotzdem traf ich kurz nach drei Uhr in Willcox, einem typischen Versorgungspunkt und meinem heutigen Übernachtungsort, ein. In der nahegelegenen Tankstelle besorgte ich mir das wohlverdiente „Feierabendbierchen“ und plauderte etwas mit der Verkäuferin. Sie war restlos begeistert über meine Reise, konnte es kaum glauben und als sie noch vom Sponsoringprojekt „Miles4Kokou“ erfuhr, hätte sie mich wohl am liebsten umarmt. Gute war die Verkaufstheke dazwischen 🙂 Sie hat mich vor den kommenden Steigungen nach Tuson gewarnt, die ich morgen zu bewältigen habe. Ich bin gespannt wie „schlimm“ es wird. Ich hoffe nicht zu heftig, den es sind wieder knapp 130 Kilometer bis zu meiner nächsten Unterkunft.

"Alles was man braucht" gleich an der Autobahnausfahrt.

„Alles was man braucht“ gleich an der Autobahnausfahrt.

Ich kann die nächsten zwei Nächte bei einem Paar, dass wie wir als Gastgeber bei „warmshowers.com“ mitmacht, übernachten. Sie wohnen nahe am Eingang zum Saguaro Nationa Park, den ich am Mittwoch besuchen will. Ich bin gespannt auf meine Gastgeber. Der Kontakt per Mail war ja schon mal vielversprechend und es ermöglicht mir sicher wieder neue Einblicke in’s „Herzen“ der USA.

Morgen hoffe ich weiterhin auf Rückenwind, ich kann ihn brauchen.

Tag 55: (07.12.14) Deming – Lordsburg

Distanz: 101.7 km / Gesamt: 4354.4 km / Fahrzeit: 4 Std. 12 Min. / Durchschnitt 24.2 km/h 🙂

ganzer Tag etwa 22 Grad, mittlerer Rückenwind, sonnig

Über die Wasserscheide!

Die heutige Etappe von Deming nach Lordsburg war eine gemütliche Sonntagsfahrt über Land. Ich liess es gemütlich angehen und genehmigte mir im Restaurant zuerst mal ein Frühstück. Zwei Eier „easy over“, die regelmässigen Blogleser kennen den Ausdruck ja schon. Das ist wie beschrieben ein Spiegelei das in der Hälfte des Kochvorgangs so kunstvoll um 180 Grad gedreht wird, dass das Eigelb nicht ausläuft und das Eiweiss von beiden Seiten gebraten wird. Ihr könnt das ja zu Hause mal ausprobieren und ich bin gespannt wieviel ausgelaufenes Eigelb ihr produziert 🙂
Dazu in Butter gebackene Tostbrotscheiben und Bratspeck. Nicht das was man zu sich nehmen soll wenn man den ganzen Tag im Büro sitzt, aber wer anschliessend 100 Kilometer radelt kann es kalorienmässig mit gutem Gewissen tun. Der Radler den ich gestern Abend getroffen habe, er heisst Carl und ist etwa 25 Jahre alt, war um diese Zeit schon startklar. Er sagte, dass er nicht so schnell fahre und ich ihn im Verlauf des Tages sicher einholen werde. Also fuhr er schon mal los. Ich packte gemütlich meine Sachen und war um halb zehn auch startklar. Die Sonne hatte die Luft schon soweit aufgewärmt das ich in kurzen Hose starten konnte. Ein gutes Gefühl das ich in letzter Zeit etwas vermisste. Die Fahrt raus aus Deming führte durch eine lange Strasse mit Tankstellen, Motels und Einkaufszentren. Es ist offenbar ein Zentrum in dieser abgeschiedenen Gegend, in dem sich die Leute aus einem weiten Umkreis für den alltäglichen Bedarf eindecken.

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Sonntagmorgen in Deming. Die älteren Herren sitzen, beobachten das Geschehen und plaudern zusammen, fast wie in Italien.

 

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Die Hauptstrasse in Deming ist typische für diese Regionalen Zentren.

Die ersten Kilometer konnte ich auf einer guten Parallelstrasse zur Autobahn fahren.

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So blau kann ein schöner Sonntag sein.

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Amis am „zügeln“. Man mietet einen „Kleinlaster“, hängt das Auto an und fährt los. Oft ziehen sie tausende Kilometer für eine neue Arbeitsstelle um.

 

Google Maps hat mir im Modus „Fahrrad“ eine Route bis Lordsburg errechnet auf der ich nie auf der Autobahn fahren müsste. Ich traute der Sache nicht und habe mir die Strassen noch in der Ansicht „Satellitenaufnahme“ angeschaut und festgestellt, dass dieser Weg über Schotterstrassen führte. Nicht mit mir! Also war nach 30 Kilometern für den Rest des Tages Autobahn angesagt.

Ich hatte keine Lust auf Schotterstrasse, also auf die Autobahn.

Ich hatte keine Lust auf Schotterstrasse, also auf die Autobahn.

Vorher machte ich noch eine Pause und plauderte mit meinen Lieben zu Hause via Skype, da ich gerade mal wieder ein gutes Handysignal hatte, was hier nicht immer der Fall ist. Auf der Autobahn, die auf dem ganzen Weg neben der Eisenbahnlinie her führt, konnte ich dank schönem Rückenwind so richtig Gas geben. Noch immer stieg die Strasse leicht an und trotzdem lagen 32 -35 Kilometer drin. So kommt man gut voran. Der Verkehr war mässig, der Belag meist gut wenn auch mit vielen holprigen Querrillen, welche durch die Hitze hier entstehen. Ab und zu fuhr ein langer Güterzug an mir vorbei.

Immer wieder faszinierend. Endlose Güterzüge mit beeindruckenden Lok's.

Immer wieder faszinierend. Endlose Güterzüge mit beeindruckenden Lok’s.

Es lief gut und ich fühlte mich richtig wohl. Sonne, endlose Weite, Rückenwind, prima Geschwindigkeit. Da würde ich das Motel wohl früh erreichen und freute mich schon noch ein Footballspiel am Nachmittag sehen zu können. Um halb zwei Uhr erreichte ich einen weiteren Meilenstein auf meiner Tour: „The Continental Divide!“ (Die kontinentale Wasserscheide). Ab diesem Punkt fliesst das Wasser nicht mehr in den Golf von Mexiko und somit in den Atlantik sondern in den Colorado. Jenes Wasser das dem Colorado im Verlauf seines Weges nicht zu Bewässerung bzw. als Trinkwasser entnommen wird mündet dann in den Pazifik. Genau dahin will ich auch.

Jetzt gehts Richtung Pazifik!

Jetzt geht s Richtung Pazifik!

Kurz darauf holte ich Carl ein. Wir stopten kurz an und redeten miteinander. Er hatte heute schon wieder einen Platten gehabt. Es war so ungefähr Nummer 40 auf seiner Reise. Ihr könnt es euch ja denken, er hat zwar einen „Schwalbe Marathon“ aufgezogen aber eben nicht den stabileren „Marathon plus“ und er hat auch auf die Dichtungsflüssigkeit im Schlauch verzichtet. Naja, wer gerne Reifen flickt kann das so machen. Als wir losfuhren merkte ich rasch, das unsere Geschwindigkeiten nicht harmonierten. „Der alte Mann“ fuhr voraus und schon nach kurzer Zeit war er in meinem Rückspiegel nur noch ein kleiner Punkt. Ich hielt an und wir beschlossen, dass jeder in seinem Tempo weiterfahren soll, tauschten die Telefonnummern aus und verabschiedeten uns. Da wir die nächsten Tage auf der gleichen Strecke unterwegs sind werden wir uns wohl wieder begegnen. Ich geniesse es im Moment sowieso wieder etwas alleine unterwegs zu sein. Die Fahrten mit Kyle waren super, aber ein Radpartner muss eben zu einem passen und das ist nicht immer der Fall.

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Heute änderte sich die Landschaft auf über 100 km kaum.

Eine riesige Hochebene und Gebirgsketten im Hintergrund.

Eine riesige Hochebene und Gebirgsketten im Hintergrund.

Ansonsten war die Fahrt ereignislos und eher vom Ziel bestimmt bald im Motel zu sein, zu duschen und den Nachmittag entspannt zu geniessen. Schon um halb drei Uhr kam ich in Lordsburg an. Der Ort besteht vorwiegend aus Motels und einigen kleineren Läden. Die Einwohner leben offenbar von der nahen Autobahn und den Bedürfnissen der hier vorbeifahrenden Reisenden.

So leben die Arbeiter in Lordsburg.

So leben die Arbeiter in Lordsburg. Mobilhome und Blechhütte.

Ich konnte mein „Sonntagszimmer“ beziehen und war froh das es um Welten besser war als letzte Nacht.  Dies war einem ziemlich in die Jahre gekommenen Zimmer das, obwohl „Nichtraucher“, stark nach kaltem Rauch stank. Zuerst „kochte“ mir in der Mikrowelle mal eine Portion gefrorene „Fertigspaghetti“ um die Kolenhydratspeicher wieder aufzufüllen. Hat sogar ganz gut geschmeckt und für 1.50 Dollar war es eine preiswerte Verpflegung.

Mein "Sonntagszimmer". Viel Platz für mich und das Pferdchen.

Mein „Sonntagszimmer“. Viel Platz für mich und das Pferdchen.

Heute Abend freue ich mich auf das Footballspiel „meiner San Diego Chargers“ und hoffe natürlich auf einen Sieg, was nicht ganz einfach werden wird. Ihr seht, eine solche Radreise kann ganz schön entspannt sein. Auch bei 100 Kilometern, sofern das Wetter mitmacht. Euch allen einen guten Start in die neue Woche!

Tage 53 + 54: (05.+06.12.14) Ruhetag in Las Cruces und La Cruces- Deming

Distanz: 96 km / Gesamt: 4252.7 km / Fahrzeit: 4 Std. 16 Min. / Durchschnitt 22.4 km/h

ganzer Tag etwa 22 Grad, mittlerer Rückenwind, bedeckt

on the road again

Gestern genoss ich also meinen Ruhetag in Las Cruces. Eine schmucke Stadt in New Mexiko. So hatte ich Zeit mich in der Stadt etwas mit dem unbeladenen Velo umzusehen. An dieses Fahrgefühl könnte man sich gewöhnen. Dank Internetrecherchen wurde ich auf ein gutes mexikanisches Restaurant im Stadtzentrum aufmerksam, wo ich beim Mittagessen gleich mal die hoch gelobte Kochqualität testen konnte. Ich sage euch: Volltreffer!!! Es hat so gut geschmeckt das ich meinen Reisepartner Kyle, der den ganzen Tag im Motel mit dem aktualisieren seines Blogs verbrachte, zum Abendessen gleich nochmals ins gleiche Lokal führte. Auch da wieder: fantastisch. Autentisch mexikanische Küche zu Superpreisen (Nachtessen = 8.99 Dolar), nette Bedienung und gemütliches Ambiente. Was will man mehr. Am Nachmittag nutzte ich meine freie Zeit für einen Besuch im Nachbarort Mesilla wo es ein schön erhaltenes Quartier gibt. Es war die richtige Entscheidung den Ruhetag erst in Las Cruces und nicht schon in El Paso zu nehmen. Hier war es viel gemütlicher und hatte wirklich viele schöne Ecken. Wer einmal in dieser Gegend unterwegs ist um sich zum Beispiel die grossartigen Tropfsteinhöhlen „Carlsbad Caverns“ oder die fantastischen weisen Sanddünen von „Withe Sands“ anzuschauen, darf sich ruhig auch etwas Zeit für Las Cruces nehmen. Hier einige Impressionen:

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Auf jeden Fall ein Besuch wert: Las Casitas Cafe

Hervorragende mexikanische Küche in gemütlicher atmosphäre.

Hervorragende mexikanische Küche in gemütlicher Atmosphäre.

Im Zentrum von Las Cruces

Im Zentrum von Las Cruces

Das Eisenbahnmuseum war eher mässig. Dieser "Schlusswagen" war das Prunkstück.

Das Eisenbahnmuseum war eher mässig. Dieser „Schlusswagen“ war das Prunkstück.

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Cafe in Mesilla

Irgendwie scheint hier ein Weihnachtsbaum "deplaziert".

Irgendwie scheint hier ein Weihnachtsbaum „deplaziert“.

In diesem Gebäude wurde "Billy the Kid" zum Tode verurteilt.

In diesem Gebäude wurde „Billy the Kid“ zum Tode verurteilt, als der wilde Westen noch richtig „wild“ war.

Sogar die Wohnüberbauungen sind im Stiel der Landschaft angepasst.

Sogar die Wohnüberbauungen sind im Stil der Landschaft angepasst.

Der heutige Tag versprach keine grossen Besonderheiten. Am Morgen verabschiedete ich mich von meinem Reisepartner Kyle, der Richtung Norden zum Emroy Pass fuhr. Wenn alles klappt, treffen wir uns in einer Woche in Phoenix wieder. Im Moment gilt es vor allem Meilen Richtung Westen zu machen. Nach wie vor ist das Gebiet schwach besiedelt und so geben die Ortschaften mit Unterkunftsmöglichkeiten die Etappenlänge vor. Heute knapp 100 kilometer bis Deming. Die Fahrt führte teilweise auf Paralellstrassen zur Autobahn aber auch etwa 30 Kilometer auf dem Pannenstreifen der Autobahn entlang, da es keine andere Strasse gibt. So ist es Radfahrern trotz Verbot auf der Autobahn zu fahren gestattet den Pannenstreifen zu benutzen, wie dieses Bild beweist.

Das kleine Schild ganz unten erlaubte mir dan doch auf der Interstaate zu fahren.

Das kleine Schild ganz unten erlaubte mir dann doch auf der Interstaate zu fahren.

 

Da fühle ich mich ja bekanntlich ziemlich sicher.

Da fühle ich mich ja auch mit den grossen Brummern bekanntlich ziemlich sicher.

Werbung an der Autobahn. Kinderspielzeug: Gewehr, Pfeil und Bogen, Wilkommen in Amerika!

Werbung an der Autobahn. Kinderspielzeug: Gewehr, Pfeil und Bogen, Willkommen in Amerika!

Später fand ich dann eine Nebenstrasse die durch Farmland führte. Weiterhin riesige, endlose Graslandschaft und dazwischen immer wieder Farmen mit Pecannussplantagen oder nun auch Mastbetrieben, wo die Rinder auf grossen Flächen gehalten und gemästet werden, damit sie möglichst rasch als Steak’s in den Supermärkten verkauft werden können. Ein trauriger Anblick angesichts dieser riesigen Weiden, aber der Profit zählt mehr als das Tierwohl.

So wird billiges Fleich "produziert".

So wird billiges Fleisch „produziert“.

Dank dem guten Rückenwind war ich schon um halb drei Uhr in Deming und konnte mich im Motel ausruhen, Kleider waschen und den Blog bearbeiten. Später sah ich noch einen anderen Tourenfahrer im Motel ankommen. Ich plauderte etwas mit ihm. Er ist im Norden an der Ostküste gestartet, die ganze Küste nach Süden heruntergefahren und nun auf dem Weg nach Los Angeles. Er will anschliessend weiter durch Mexiko nach Panama. Da wir die nächsten Tage die selbe Route fahren werden wir morgen voraussichtlich gemeinsam nach Lordsburg radeln. Mal sehen wie das zusammenpasst. Auf jeden Fall spannend, so immer wieder auf neue Menschen und ihre Geschichten zu treffen.

Tag 52: (04.12.14) El Paso – Las Cruces

Distanz: 96.9 km / Gesamt: 4156.7 km / Fahrzeit: 4 Std. 52 Min. / Durchschnitt 19.9 km/h

ganzer Tag etwa 18 Grad, kein Wind, ab und zu Regentropfen, bedeckt

Raus aus Texas!

Heute liessen es Kyle und ich wieder gemütlich angehen. Im Motel war ein Frühstück inbegriffen und so haben wir uns zuerst mal mit Toastbrot und frisch gebackenen Waffeln gestärkt. Die Fahrt raus aus El Paso würde heute wohl die grösste Herausforderung sein und so gewährten wir dem Berufsverkehr grosszügig den Vortritt und machten uns erst gegen halb zehn auf die Reise.

Lockerer Start in El Paso.

Lockerer Start in El Paso. Kyle mit seinem Anhänger.

El Paso, eine Stadt mit immerhin gut 900’000 Einwohnern und kaum Hochhäusern ist flächenmässig sehr gross. Zudem erwies sich die Stadt viel hügeliger als ich es erwartet hatte. Also war es nötig, immer mal wieder kräftig in die Pedale zu treten.

Im Stadtzentrum von El Paso.

Im Stadtzentrum von El Paso hatten wir eine ruhige Fahrt. Der späte Start hat sich ausbezahlt.

Ich hatte meine drei verschiedenen Blinklichter in Betrieb, so dass ich von hinten gut gesehen wurde. Wenn ich dann noch meinen „Warnblinker“ an der Kopfstütze einschaltete, getraute sich erst recht keiner mehr knapp zu überholen. Prima wie dieses Blinkspektakel hier funktioniert! So fühlte ich mich heute sehr sicher und kurz nach Mittag hatten wir El Paso hinter uns. Endlich war nun nach 19 Fahrtagen und gut 1570 Kilometer wieder einmal eine Staatsgrenze angesagt. Texas war geschafft und New Mexiko lag vor mir.
Wir überquerten die Staatsgrenze leider auf einer Nebenstrasse und da reichte das Geld offenbar nicht um eine Tafel aufzustellen. Also muss ich mir die „Wilkommenstafel“ vorstellen und für euch aus dem Internet „klauen“.

So hätte die Tafel ausgesehen, wenn es eine gehabt hätte.

So hätte die Tafel ausgesehen, wenn es eine gehabt hätte.

Naja, ich kann’s verschmerzen, denn gerade heute ist eine Statistik über die Wirtschaftsdaten der verschiedenen US Staaten erschienen. Da erscheint New Mexiko nach Illinois an zweitletzter Stelle. Die Armutsrate beträgt 21.9% und fast 7% der Erwerbsfähigen sind arbeitslos. Da haben sie weiss Gott besseres zu tun als für Touristen „Wilkommenstafeln“ aufzustellen. So habe ich das „Grenzfoto“ halt vor dem Baumwollfeld gemacht.

Staat Nr. 6 wartet darauf durchradelt zu werden.

Staat Nr. 6 wartet darauf  von mir durchradelt zu werden.

Wir fuhren auch heute wieder durch grosse Baumwollfelder und Nussbaumplantagen. Die kleinen Ortschaften die an der Strasse auftauchen gleichen sich. Ab und zu ist ein schönes Farmhaus in der Ferne auszumachen. Dort wohnen offensichtlich die Landbesitzer.

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Die Ortschaften heissen hier San Miguel, Santo Tomas oder San Pablo. Nicht sehr amerikanisch.

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Schmucke kleine Häuser mit scharfem Chilli vor der Türe.

Ein Teil unserer Reise führte auch über den Rio Grand und während etwa 15 Kilometer auf einem schönen Radweg direkt dem Fluss(bett) entlang.

Schöner Radweg entlang des Rio Grande.

Schöner Radweg entlang des Rio Grande. Auch hier ist der Herbst angekommen, die Blätter verfärben sich.

Der Fluss, durch den in den Westernfilmen schon so mancher Schurke nur mit Mühe und Not durch die reissenden Fluten nach Mexiko flüchten und sich so vor dem Sheriff verstecken konnte, ist heute: trocken! Nur eine Tafel gibt einen Hinweis darauf, dass wir uns am Rio Grande befinden. Das Flussbett ist eine Wüste aus Sand, da die Farmer dem Fluss mit ihren wasserintensiven Plantagen von Baumwolle und Pecannüssen den letzten Tropfen Wasser entziehen. Eigentlich sollte der Rio Grande, der in Colorado entspringt, in den Golf von Mexiko münden, aber da kommt nichts mehr an.

Staubtrockener Rio Grande. Ein trauriger Anblick.

Staubtrockener Rio Grande. Ein trauriger Anblick.

Kurz nach vier Uhr fuhren Kyle und ich dann von Süden her in der Stadt Las Cruces ein, wo wir Morgen einen gemeinsamen Ruhetag einschalten werden, bevor sich unsere Wege trennen. Der erste Eindruck ist schon mal vielversprechend.

Die Bankomaten sind "velofreundlich" angelegt, so dass ich nicht mal absteigen muss. (... oder war das eher für Autos gedacht?)

Die Bankomaten sind „velofreundlich“ angelegt, so dass ich nicht mal absteigen muss. (… oder war das eher für Autos gedacht?)

Wir freuen uns auf die morgige Touristentour in Las Cruces. Kyle will übermorgen dann auf seinem Weg nach San Diego in die Berge und den 2500 Meter hohen Emroy Pass überqueren. Auf diese Höhenmeter verzichte ich und habe mich für die südliche Route via Tucson entschieden. Also Morgen gibt es keinen Blog.