Distanz 72.5 km / Fahrzeit 4 Std. 12 Min. / Durchschnitt 17.2 / Gesamt 706.4 km
Wetter: ganzer Tag bedeckt, 21 – 28 Grad, oft Gegenwind
Schweizertag
Als sich heute Morgen der Wecker um 6 Uhr meldete, wagte ich zuerst den Blick aus dem Fenster. Regen! Das kann ja auch was Gutes haben, denn wir legten uns nochmals ins Bett und dösten noch etwas. Gegen halb acht schien der Regen vorüber und wir machten uns zur Abfahrt bereit. Als wir nach 9 Uhr auf die Räder steigen wollten kam noch unsere Pensionswirtin heraus um uns zu verabschieden und ein Foto von uns zu machen. Sie haben zwar schon oft Fahrradfahrer beherbergt, aber noch nie ein solches Velo gesehen. Zudem waren wir ihre ersten Fahrradgäste aus der Schweiz.
Im Dorfladen kaufte ich noch etwas Wasser und zwei feine Brotstangen ein. Als ich zurückkam war Barbara schon mit einem älteren Mann ins Gespräch vertieft. Er hatte meine Schweizerflagge am Velo gesehen und erzählte in guten Deutsch aus seiner Zeit als er im Kanton St. Gallen und später im Thurgau arbeitete. Er freute sich offensichtlich uns von seiner Zeit in der Schweiz zu erzählen und es schien uns, als ob es ihn auch etwas traurig machte, seine Erinnerungen aufleben zu lassen. Es sei eben schon schön gewesen in der Schweiz, sagte er mit wehmütigem Blick. Die Einladung zum Kaffee mussten wir leider ausschlagen, denn wir hatten doch einige Kilometer vor uns. Nachdem wir das Wasser in unsere Trinkflaschen umgefüllt hatten wollte ich noch die leere Flasche im Abfallkübel entsorgen. Da rief mir ein anderer älterer Mann ein freundliches „Grüäzi, sind Sie uns dä Schwiz“ zu. Auch mit im plauderte ich ein paar Minuten und erfuhr das er von 1970 – 2004 im Kanton St. Gallen bei einem grossen Küchenbauer gearbeitet habe. Die Rückkehr scheint auch ihm nicht leicht gefallen zu sein. „Wissen Sie, in der Schwiz konnte ich Schuhe kaufen und musste die fast nie putzen, aber hier, überall staubige und bei Regen schlammige Wege. Da musste ich mich schon umstellen. Es wird zwar von Jahr zu Jahr besser, aber das dauert noch lange bis hier alles klappt. Schauen sie nur“ und er zeigte auf den Boden vor dem Laden, „diesen Platz haben sie vor einer Woche betoniert und neu gemacht und jetzt bröckelt die Kante schon ab. Das ist nur weil sie zu wenig Zement beimischen.“
Er schien in den gut 30 Jahren in der Schweiz viel vom exaktem Arbeiten verinnerlicht zu haben.
Wir hätten wohl noch Stunden in diesem Dorf bleiben können und mit den „Schweizern“ Gesprächsstoff gehabt, aber es war höchste Zeit uns auf den Weg zu machen. Der Gegenwind bremste uns auch heute noch etwas ein, wenn auch nicht mehr so stark wie in den vergangenen Tagen. Der Himmel war meist bedeckt, so dass uns auch die Sonne nicht mehr so stark einheizte. Gemäss dem Radführer waren heute einige Abschnitte auf stärker befahrenen Strassen zu absolvieren, aber da ja heute Samstag war, war nicht soviel Verkehr und vor allem waren kaum Lastwagen unterwegs. Dies machte sich den ganzen Tag positiv bemerkbar und selbst die Einfahrt in den grösseren Städten Osijek und Vukovar waren verkehrsmässig problemlos.
Impressionen von unterwegs:

Heute war wohl „Holzliefertag“. In vielen Dörfern grosse Holzbeigen die im nächsten strengen Winter Wärme spenden werden.
Als wir in Osijek einfuhren sahen wir gleich rechts nach der Brücke über die Drau viel Leute auf einem Platz. Das wollten wir uns genauer ansehen und so bogen wir auf diese Platz ein, denn wir wollten in einem Café etwas Trinken. Kaum stellten wir unsere Räder vor einem Gartenrestaurant ab, kam auch schon ein freundlicher junger Mann auf uns zu und fragte in akzentfreien Schweizerdialekt, ob wir Lust auf einen Kaffe hätten. Er und seine Familie hätten uns schon auf der Strasse mit der Schweizerflagge gesehen als sie uns mit dem Auto überholten und sie würden uns gerne einladen. So eine freundliche Einladung zur rechten Zeit nahmen wir mit Freude an und schon sassen wir zusammen mit Vasi, seiner Frau Gaby und ihren süssen Töchtern Mia und Tati an einem Tisch und plauderten über unsere Reise und was sie hierher brachte. Vasi’s Eltern stammen aus dem Dorf Knezevi Vinogradi in dem wir übernachtet hatten. Sie gingen ebenfalls in den 70er Jahren in die Schweiz da sie damals von Arbeitsvermittlern angeworben wurden. Vasi wurde in der Schweiz geboren und kannten Kroatien durch die Geschichten seiner Eltern und Ferienbesuchen. Vor ein paar Jahren stand dann die Frage im Raum, was denn nun mit dem Haus seiner Eltern in Kroatien passiert oder ob man es verkaufen sollte.
Vasi’s Frau Gaby hatte dann die Idee ihrem Leben eine neue Wendung zu geben und mit der Familie nach Kroatien zu ziehen um das Haus zu restaurieren und zu versuchen, ihrem Arbeitsleben mehr Sinn zu geben als alles nur dem Arbeitsstress unterzuordnen. So starteten sie dieses Familenexperiment vor 9 Monaten und sie fühlen sich wohl. Die Renovation verläuft nach Plan und wer weiss, vielleicht bieten die beiden schon bald im Rahmen von Ökotourismus oder ähnlichem ein Angebot an. Potential hat die Gegend auf jeden Fall. Die ältere Tochter besucht nun die erste Klasse und so lebt sie die Familie nach und nach in dieser Dorfgemeinschaft ein.
Wir haben das kurze Zusammentreffen mit dieser tollen Familie sehr genossen und wünschen Ihnen von Herzen viele erfolgreiche Ideen und das sich ihre Wünsche erfüllen.
Die letzten gut 40 Kilometer fuhren wir weiterhin oft auf Hauptstrassen die aber wie gesagt wenig Verkehr hatten. In den Dörfern immer wieder ein fröhliches „Hallo“ und Winken der Leute auf der Strasse und in den Gärten. Kurz vor Dalj kam dann noch eine kurze, knackige Steigung. Genau in dem Moment, in dem ich mit dem Pedalentreten etwas nachlässiger wurde, erschien mein persönlicher Coach in Form eines Strassenhundes, der mich mit lautem Bellen und Nebenherrennen den Hügel hinauf trieb. Vielen Dank, diese Motivation habe ich gebraucht 😉

Spuren einer dunklen Zeit auf dem Balkan. Hoffen wir das die Menschen lernen den Hass zu überwinden.
Um halb vier erreichten wir unsere schöne Pension „Villa Vanda“ in Vukovar wo wir vom Besitzer freundlich empfangen wurden. Dann das übliche Ritual; duschen, Blog schreiben und später geht’s noch ins Zentrum für einen kleinen Rundgang und Abendessen.
Morgen dann die letzte „lange Etappe“ nach Novi Sad in Serbien. Wir sind schon bald am Ziel der Reise