Tag 8: (21.10.14) Sebastian – Titusville

Distanz: 95.6 km / Gesamt: 640.5 km / Fahrzeit: 5 Std. 20 Min. / Durchschnitt 17.9 km/h

bedeckt, 26 Grad, kaum Wind  GPS-Track

David gegen Goliath

Der heutige Tag hatte nur ein Ziel: Meilen machen! Wir wollten unbedingt bis Titusville kommen um uns für die nächsten paar Tage eine gute Ausgangslage zu verschaffen, den Weg nach Westen nun endlich einzuschlagen. Doch der Reihe nach.
Wir verstehen es mittlerweile meisterhaft, die amerikanischen Begrüssungsformeln zu erwidern und zu einem Anknüpfungspunkt von Gesprächen zu nutzen. Das freundliche „good morning, how are you“ der Dame im Frühstücksraum erwiderte ich mit einem ebenso netten, „wunderbar und vielen Dank das Sie uns ein so gutes Frühstück vorbereitet haben“. Sie freute sich und meine Antwort war ernst gemeint, denn wir hatten heute neben Müsli, Joghurt, Toast und Beagels auch die Auswahl von Rühreiern und Speck. Genau das Richtige um eine Grundlage für eine lange Tagesetappe zu legen. (Sorry lieber Veganer-innen, aber es gibt Tage, da tun einem solche Sachen einfach gut.) An dieser Stelle noch eine Bemerkung zum Preis: Wir übernachteten im „Best Western“ zu zweit inkl. Frühstück für 54.- sFr. Bei solchen Konditionen ist es klar, dass das Zelt eingepackt bleibt und nur im Notfall zum Einsatz kommt.

Also der Smalltalk im Frühstücksraum ging weiter und bald kam ein weiterer Motelgast dazu. Eine Frau um die 60. Ich fragte sie, wann den nun die Wahlen stattfinden würden, da wir am Strassenrand immer so viele Werbetafeln sehen.
(Ja wenn ich mir das Foto jetzt in Ruhe  ansehe, sehe ich das Datum auch, also verkneift euch die Kommentare.)

So sieht es im Moment am Strassenrand aus. Es gibt Sitze für alle möglichenund unmöglichen Behördentätigkeiten zu vergeben. Vom Senatorensitz, über Richter bis zur Schulpflege. Alles in einem Wahlgang. Ob alle wissen was sie tun?

So sieht es im Moment am Strassenrand aus. Es gibt Sitze für alle möglichenund unmöglichen Behördentätigkeiten zu vergeben. Vom Senatorensitz, über Richter bis zur Schulpflege. Alles in einem Wahlgang. Ob alle wissen was sie tun?

„Genau heute in 2 Wochen“ antwortete sie und holte zu einer längeren Erklärung aus. Es würden 50% der Mitglieder des Unterhauses neu bestimmt und 1/3 derSenatorensitze. Sie ging noch weiter in die Details und erklärte mir stolz, das diese Frage wohl viele Amerikaner nicht so genau hätten beantwortenkönnen. Da sie aber Lehrerin für Politik sei, kenne sie sich da gut aus. Sie machte noch weiter Erklärungen zum Thema Regierung, Verantwortung der einzelnen Bürger, zum obligatorischenKrankenversicherungsgesetz „Obamacare“ und vielem mehr. Es war schnell klar, das sie sicher die Republikaner wählen würde und für sie machte es sich bei Ihren Aussagen zu den verschiedenen Theman recht einfach. Vieles war schwarz / weiss, gut /böse und der wichtige Hinweis, das dieses Land ja gegründet worden sein, damit die Einzelnen die Freiheit finden könnten. Da müsse sich doch nun die Regierung nicht ins Leben der Bürger einmischen. In ihrem Denken gab es wohl wenig Platz um sich auf andere Meinungen einzulassen und irgendwie kam diese undifferenzierte Haltung auch aus der Schweizer Politlandschaft bekannt vor. Ich hielt mich mit meiner persönlichen Meinung vornehm zurück, denn ich hatte keine Lust mich schon beim Frühstück auf eine politische Grundsatzdiskussion einzulassen. Roger Federer fand sie aber super und da hatten wir schon eine Gemeinsamkeit.

Als wir unsere Räder vor dem Hotel gepackt hatten, kam die Dame vom Frühstücksraum vor die Türe. „Was und ihr habt all dieses Gepäck dabei? Ihr wollt wirklich bis New Orleans?“ Sie schaute uns ungläubig an. Als wir abfahren wollten frage sie noch: „Do you have a gun?“, „Nein“ sagte ich „aber ein gutes Herz, das wird uns schützen“. Wir wünschten ihr einen „wonderfull day“ winkten ihr zum Abschied fuhren los.
Es war uns schon im Vorfeld klar, das der heutige Tag kein „Zuckerschlecken“ werden würde. Einerseits standen knapp 100 km auf dem Etappenblatt und andererseits mussten wir fast die ganze Strecke die Strasse „1“ nehmen. Diese ist in diesem Abschnitt recht stark befahren und hat leider oft wenig Platz am Strassenrand. Wir fühlten uns oft in einem Kampf, „David gegen Goliath“ und versuchten uns so gut es ging mit unseren Fahnen und Blinklichtern bemerkbar zu machen.

"1 Nord" heute war es oft einfach mental anstrengend aauf dieser Strasse.

„1 Nord“: Heute war es oft einfach mental anstrengend auf dieser Strasse.

 

Zum Glück standen diese Monster nur am Strassenrand.

Zum Glück standen diese Monster nur am Strassenrand.

Konzentriert auf der Strasse. Wasserturm im Hintergrund beachten: Ja wir sind in Amerika!

Konzentriert auf der Strasse. Wasserturm im Hintergrund beachten: Ja wir sind in Amerika!

Bei einem Veloladen am Strassenrand kauften wir noch zwei zusätzliche Blinker, damit wir nun auch im hektischen, amerikanischen Rhythmus blinken konnten.

Wenigstens hatten wir ab und zu auf der rechten Seite schöne Ausblicke und Rastmöglichkeiten, um uns vom konzentrierten Fahren auf der „1“ etwas zu erholen.

Bilder direkt vom Strassenrand:

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Dabei sahen wir viele Tiere, dessen Namen wir nicht alle kennen. An zwei Stellen konnten wir heute von der Strasse aus sogar Delfine beobachten, die im Fluss miteinander spielten und uns ab und zu die Rückenflossen zeigten. Grosse Sprünge gab es natürlich nicht zu sehen, schliesslich waren wir in der freien Natur und nicht im „Sea World“.

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Delfine geniessen den ruhigen Nachmittag.

Wir genossen den Anblick wie diese Delfingruppe so ruhig miteinander umherschwamm. Die Idee, die Badehose anzuziehen um hier mit den Delfinen zu schwimmen, haben wir nach dem Studium des Warnschilds dann wieder verworfen.

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Die Frage: Schwimmen mit Delfinen ist damit geklärt!

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Pelikan im Landeanflug

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Seeadler ? Wer weiss es?

So ging die Fahrt gegen halb 4 Uhr zu Ende. Wir sind froh, wohlbehalten hier in Titusville angekommen zu sein. Ab Morgen erhoffen wir uns ruhigere Strassen und weniger Verkehr, denn wir werden die Küste nun verlassen und Richtung Nordwesten, etwas östlich an Orlando vorbei nach Deland fahren. Nun beginnt also die Durchquerung von Florida und wir sind gespannt, wie sich die Landschaft verändern wird. Wir hoffen, dass auch das Wetter weiterhin auf unserer Seite ist. Trocken, nicht zu heiss und einen anständigen Rückenwind, das würden wir die nächsten Tage mal bestellen.

Fazit: Wir hatten heute einen wirklich ungleichen Kampf auf der Strasse zu kämpfen und sind froh, dass es dank unserer Aufmerksamkeit, Geduld, sowie diversen Schutzengeln gut gelaufen ist. Den Spruch den ich heute vor einer Baptistenkirche am Strassenrand gelesen habe, hätte ich nämlich schon nur aus Gewichtsgründen nicht umsetzen können. Dort stand: „For every Goliath, there is a stone“. Soviele Steine hätte ich heute gar nicht transportieren können!

Übernachtung: Best Western, Titusville

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