Distanz: 90.91 / Gesammt: 472.62 km / Fahrzeit: 5 Std. 45 Min. / Durchschnitt 15.8 km/h
Sonne pur, 31 Grad, am Nachmittag Seitenwind auffrischend GPS-Track
4 Füsse, tausende gemeinsame Kilometer, 23 Jahre Ehe und zwei wundervolle Töchter:
life is great!
Heute war ein ganz besonderer Tag. Barbara und ich durften uns über 23 Jahre gemeinsame Ehe freuen und wir taten dies wie in den vergangenen gemeinsamen Jahren auch. Die Etappe beinhaltete einiges vom Erfolgsrezept unserer vergangenen Ehejahre. Wir hatten ein gemeinsames Ziel vor Augen, im Wissen dass es nicht immer einfach sein wird und wir die gegenseitiger Aufmunterung brauchen würden wenn einer von uns mal Mühe hatte die notwendige Kadenz zu treten um das gemeinsame Ziel zu erreichen. Auch haben wir uns vor herannahenden Gefahren gewarnt oder sind auf einigen Abschnitten mit etwas mehr Abstand gefahren, damit jeder sein Tempo fahren konnte und wir haben uns in der Führung abwechselten, damit der andere sich mal im Windschatten des Partners erholen konnte. Auf unserer Hochzeitskarte stand damals „Die Reise beginnt …“ Wir sind noch immer gemeinsam unterwegs, sowohl als Paar als auch im Sinne dieser physischen Reise durch die USA. Dafür sind wir beide dankbar und freuen uns auf die nächsten Jahre.
Wir sind wieder früh losgefahren um die Kühle des Morgens für die ersten Kilometer nutzen zu können. Das machte sich auch heute wieder bezahlt, denn so bis 10 Uhr bringt uns das Radeln kaum ins Schwitzen und an einem Sonntag wie heute sind die Strassen um diese Zeit noch recht leer, was uns gut vorankommen lies.
Bereits nach wenigen Fahrminuten hörte ich im noch fast menschenleeren Stadtzentrum in Lake Worth von der Parallelstrasse her ein lautes Reifenquitschen, ein Knall und sah im Augenwinkel, wie zwei Autos seitlich ineinander prallten. Stosssstangen und Blechteile lagen auf der Strasse. Da hatte wohl einer das Rotlicht missachtet. Ich beobachtete die Szene kurz und als ich sah wie beide Lenker offensichtlich unverletzt aus den Autos stiegen und auf einander zugingen, fuhr ich weiter. Es wurde uns aber wieder einmal klar wie schmal der Grad zwischen „gut ankommen“ und „verunglücken“ manchmal ist. Eine Sekunde abgelenkt und schon kann es zu spät sein. Wir stellten also all unsere Sensoren wieder auf volle Empfangsleistung und genossen trotzdem die ruhige Fahrt durch diese offensichtlich sehr reiche Gegend.
Wir sind heute oft nicht ganz an der Küste gefahren, da auf dieser Strasse der Rhythmus oft von „Stop“ Schildern unterbrochen wird. Da wir uns mit 90 Km die bisher längste Strecke vorgenommen hatten und im für heute vorgebuchten Motel eine schöne Poolanlage abgebildet war, wollten wir unbedingt frühzeitig ankommen, um auch den Rest des Körpers in der Badehose noch etwas „anbräunen“ zu können. Ihr könnt euch ja sicher selber ein Bild davon machen, mit welch unterschiedlichen Bräunungsgraden unsere Körper im Moment geschmückt sind.
Wir fuhren heute also oft auf der 2-3 Spurigen Schnellstrasse A1.
Meist war ein Radstreifen markiert und weil es Sonntag war, waren auch fast keine Trucks unterwegs. Die Mittagspause machten wir, wie im automobilen Amerika üblich, an einer Tankstelle. Diese sind nämlich, wie schon Dres Balmer in seinem Veloreisebuch „Route 66“ beschreibt, für uns Radler ein Segen. Hier hat es einen klimatisierten Raum um sich abzukühlen und erfrischende, gut gekühlte Getränke. Eines davon hat es Dres Balmer besonders angetan und auch wir sind mittlerweile auf den Geschmack gekommen. Immer wenn sich die „Power“ in den Waden und Oberschenkeln verabschiedet, also „Ade“ gesagt hat, ist es höchste Zeit ein „Power-ade“ zu trinken. Ihr glaubt es kaum, aber es wirkt. Barbara hatte um die Mittagszeit einen ziemlichen Durchhänger. Sie fühlte sich kraftlos und es kam ihr vor, als würde sie dauernd gegen starken Wind ankämpfen, obwohl es zu dieser Zeit noch windstill war. Offenbar rächte es sich nun, dass wir sowohl gestern Abend als auch heute Morgen (kein Frühstück im Motel) mit dem Essen nicht genügend Energiereserven gebunkert haben. Diesem Thema müssen wir ab sofort mehr Aufmerksamkeit schenken! Nach einem Sandwich, Banane, Nüssen und dem super „Powerade“ sowie einem kurzen Mittagsschläfchen im Palmenschatten kehrten die Kräfte wieder zurück.
Während unserer Rast fuhr ein Mann in unserem Alter auf einem alten, aber soweit gepflegten Fahrrad zu uns hin. Obwohl er einen sauberen Eindruck machte war unschwer zu erkennen, dass er wohl in einer wirtschaftlich schwierigen Lage steckte. Vermutlich ohne Job und Arbeit. Er fragte ob ich ihm nicht 50 Cent’s geben könnte. Vermutlich dachte er, dass wir Radfahrer selber nicht allzu reich seien, sonst würden wir ja mit einem Auto unterwegs sein. Ich gab ihm ein paar Dollar und er freute sich riesig. Dann wieder die Frage nach dem „wohin“. Aber diesmal hörten wir eine verblüffend andere Antwort, die ich ihm auch sofort glauben konnte. „New Orleans, von da bin ich mit meinem Fahrrad auch hierher gefahren“ erzählte er. Ob wir Tipps bräuchten, er uns helfen könnte. Und ja in den verschiedenen Parks könne man prima wild Campen, man müsse halt einfach aufpassen und das Zelt erst im Dunkeln aufzustellen, damit einem die Ranger nicht sehen. Es sei auch sehr schmutzig auf der Strasse und wir würden viel Platten haben. Er habe sich ja extra spezielle Reifen und ein grünes Dichtmittel in den Schlauch gefüllt, das habe prima geholfen. Ich sagte ihm, wir hätten ebenfalls gute Reifen drauf und in Key West die Reifen mit derselben grünen Dichtmasse befüllt. Da huschte ein Lächeln über sein Gesicht: „That’s good man, god bless you and have a safe Trip“. Er drehte sich um und fuhr davon.
Auch wir machten uns wieder auf die Strasse und nahmen bei zunehmender Hitze und Wind von schräg Vorne die letzten 35 km in Angriff.
Im Motel angekommen war es Zeit für eine erfrischende Dusche, ein leichtes muskellockern im Sprudelbad und einigen Längen schwimmen im Pool. In die Sonne liegen, dösen und sich darüber freuen, dass unsere gemeinsame Reise bis jetzt so prima verlaufen ist.
Übernachtung: Best Western, Port St. Lucie